18.03.2019

Urma AG: Ein Schweizer Vorzeigeunternehmen

Artikel: SMM

Die Urma AG hat sich in den letzten 18 Jahren ausgezeichnet entwickelt. Das hat unterschiedliche Gründe. Zufall war es sicher nicht. Auch an die Zukunft wird gedacht, wie beispielsweise die Nachfolgeregelung. Der SMM hat mit dem Geschäftsführer Urs W. Berner und dem Marketing Manager Yannick Berner gesprochen.

SMM: Wenn Sie die letzten 20 Jahre der Unternehmensentwicklung der Urma AG Revue passieren lassen. Wo sehen Sie die Zäsuren, die aus Ihrer Sicht wichtig waren, um Ihr Unternehmen auf Erfolgskurs zu bringen?

Urs W. Berner: In der Periode 2000 bis 2018 ist zum einen das Jahr 2003 hervorzuheben, als wir als Werkzeugherstellerin in den WZM-Handel eingestiegen sind. Das war für die Urma AG sicher eine Zäsur und für unsere Weiterentwicklung als Unternehmen von grosser Bedeutung. Zum anderen das Jahr 2007, als wir unsere neu entwickelte Reibahlenserie des Typs Circotec RX auf den Markt gebracht haben. Und im Zusammenhang mit der internationalen Vermarktung unserer Reibahlensysteme ist unsere OEM-Ausrichtung gemeinsam mit Horn und Sumitomo als Lizenzproduzenten unserer Reibsysteme hervorzuheben, womit wir uns ab 2009 international hervorragend positionieren konnten.

Gab es auch negative Einschnitte?

Urs W. Berner: Die Weltwirtschaftskrise in 2009 hat auch uns getroffen. Damit wir uns wirtschaftlich weiter positiv entwickeln konnten, mussten wir unsere Kosten trimmen. Wir haben unter anderem in diesem Zusammenhang die 44-Stunden-Woche temporär eingeführt. Ein grosser Goodwill der Urma-Mitarbeitenden. Mit dieser und weiteren Massnahmen konnten wir langfristig Arbeitsplätze und die Firma sichern.
Der Schweizer Franken wurde ab 2011 gegenüber dem Euro relativ stark.

Wie hat sich das auf Ihr Geschäftsumfeld ausgewirkt?

Urs W. Berner: Zwischen 2011 und 2015 ist die Aufwertung des Schweizer Frankens für uns als Werkzeugproduzentin ein relativ starker Einschnitt gewesen. In dieser Zeit haben wir im Bereich der Werkzeugproduktion die Auslandsteilefertigung erhöht. Das mussten wir im Rahmen einer Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung machen. Auf der anderen Seite konnten wir mit der harten Schweizer Währung unsere Haas-Maschinen günstiger einkaufen, was wiederum unseren Kunden zugutekam. Wie Sie sehen, hat die Stärke des Schweizer Franken für uns zwei Seiten einer Medaille, da wir zum einen Werkzeuge produzieren und Exporteurin sind und zum anderen Werkzeugmaschinen importieren.
Als Haas-Werkzeugmaschinenhändlerin fokussieren Sie sich zu 100% auf den Schweizer Markt. Als Werk zeugherstellerin müssen Sie national wie auch international im Marketing und Vertrieb aktiv sein. Wie meistern Sie diesen Spagat zwischen Binnenmarkt und Internationalisierung, zwischen dem kapitalintensiven

Werkzeugmaschinenmarkt und dem verbrauchsintensiven Werkzeugmarkt?

Urs W. Berner: Beide Bereiche verfügen über eine Gemeinsamkeit, denn generell bedienen wir Industriekunden im Bereich der Fertigung. Wir verfügen damit über die gleiche Kundenbasis. Die Maschinen sind konjunkturzyklische Investitionen. Die Werkzeuge sind typische Verbrauchsgüter, sie sind weniger konjunkturzyklisch. Insofern ist das eher kein Spagat. Generell sind die beiden Bereiche in gewisser Weise synergetisch. Auch wenn die Ansprechpartner für die Werkzeugmaschinen eher im Bereich der Geschäftsleitung zu finden sind und die Werkzeuge eher direkt in der Produktion geordert werden. Was nicht funktioniert, ist, dass unsere WZM-Spezialisten Werkzeuge mit verkaufen. Das sind zwei unterschiedliche Welten.

Gleichwohl ist es doch äusserst anspruchsvoll, als KMU mit 100 Mitarbeitern die Werkzeuge weltweit zu vermarkten.

Yannick Berner: Die weltweite Vermarktung unserer Werkzeuge haben wir, wie bereits oben erwähnt, über unsere OEM-Partner Horn und Sumitomo realisiert. Ohne diesen strategischen Schritt in 2009 würden wir mit unserem Werkzeugexport sicher nicht da stehen, wo wir uns heute befinden. Technologisch sind unsere Reibwerkzeuge sehr hochstehend. Unsere Partner und wir können die Reibsysteme ausgezeichnet über die Technologie verkaufen, da die Reibsysteme hochgradig produktiv wie auch seitens der Qualität und Prozesssicherheit im obersten Level angesiedelt sind.

Darüber hinaus verfügen Sie über eine chinesische Niederlassung.

Urs W. Berner: Ja, China ist strategisch für uns und generell für die Fertigungsbranche sehr bedeutend. Urma China verfügt über zwei Geschäftsbereiche. Das ist zum einen unser Werkzeugvertrieb und auf der anderen Seite bieten wir ein Dienstleistungssegment für Schweizer Unternehmen an, die sich in China engagieren wollen. Hier bieten wir Hand, unsere Erfahrungen, Kompetenzen, Kontakte wie auch Büroräumlichkeiten zu nutzen.

Neu haben Sie SLM Solutions als Schweizer Vertretung mit ins Programm der Urma AG genommen. Was sind die Hintergründe für diesen Schritt?

Urs W. Berner: SLM Solutions ist Herstellerin von Maschinen für metallbasierte additive Fertigungstechnologien. SLM ist einer der grossen Player im Markt. Wir streben mit den SLM-Maschinen einen Marktanteil von 10 bis 20% in der Schweiz an, im Bereich des metallbasierten Additive Manufacturing. Additive Manufacturing (AM) wird für immer mehr Unternehmen als ein strategisch bedeutender Fertigungssektor betrachtet. Sei es im Bereich der Prototypenfertigung oder im Bereich der Kleinserienproduktion oder für komplette Bauteil-Neuentwicklungen. Das hat seinen Grund, denn mit dem AM-Verfahren können bisher nicht fertigbare Bauteile hergestellt werden. Additive Manufacturing ist heute ausgereift, das war vor einigen Jahren noch anders.

Was heisst das konkret für Ihre Kunden?

Urs W. Berner: Wir können ab sofort zusätzlich zum Drehen und Fräsen eine neue Fertigungstechnologie aus einer Hand bieten. Generell ist es so, dass Bauteile, die aus den SLM-Maschinen kommen, typischerweise nachbearbeitet werden müssen. Die Idee, die dahintersteckt, ist, dass unsere Kunden mit unseren Lösungen AM-gefertigte Bauteile «von Null auf fertig» produzieren können. Also vom CAD ins CAM inklusive Nachbearbeitung auf Haas-CNC-Maschinen.

Was bedeutet es für klassische Zerspanungsunternehmen, die versuchen neu additive Fertigungsprozesse zu integrieren?

Urs W. Berner: Für Lohnfertiger ist das eine grosse Herausforderung. Man muss erheblich umdenken. Der Lohnfertiger, der AM anbietet, benötigt Kunden mit neuen Teilen, die für die AM-Fertigung geeignet sind. OEM, die die Technologie für ihre eigenen Produkte einsetzen, z. B. Hersteller von medizintechnischen Produkten, können ihr Bauteil- und Technologiespektrum generell mit AM erweitern.

Wie lange dauert es in etwa, bis ein Unternehmen prozesssicher komplexere 3D-Metallteile drucken kann?

Urs W. Berner: Generell kann man davon ausgehen, dass nach der Inbetriebnahme der SLM-Maschine inklusive Schulung die produktive Phase beginnen kann. Je nach Komplexität der Bauteile, die gefertigt werden, und dem bereits vorhanden Knowhow der Mitarbeiter kann dieser Prozess unterschiedlich lang dauern. Wir bieten unsererseits an, Versuchsteile und Nullserien zu produzieren. Bei einem konkreten Projekt übernehmen wir dabei die Kosten. Wir werden darüber hinaus Kundenschulungen und einen intensiven Service mit unseren Partnern anbieten.

Mit dem Verkauf einer SLM-Anlage ist es sicher nicht getan, inwieweit verfügt Urma bereits über ein tiefergreifendes Systemwissen im Bereich Additive Manufacturing?

Yannick Berner: Wir haben einen Produktmanager engagiert, ein Systemingenieur, der sich bereits seit Jahren mit der AM-Thematik befasst und uns ab März in diesem Segment unterstützt. Darüber hinaus werden wir und unsere Kunden vom SLM-Werk in Lübeck Technologieunter stützung durch deren Applikationsspezialisten erhalten. Zudem haben wir unsere Partnerin, die Protoshape GmbH in Nidau. Sie verfügen über vier SLM-Maschinen und sind langjährig im AM-Geschäft tätig. Wir werden so den Markt gut bedienen können.

Sehen Sie technologische Synergien, Ihr zukünftiges Systemwissen im Bereich der additiven Fertigung auch für Ihre Werkzeugproduktion zu nutzen, wie das beispielsweise Mapal im Bereich der Spanntechnik macht?

Urs W. Berner: Ich sehe das sicher im Bereich des Prototypenbaus und im Bereich von Versuchswerkzeugen. Aber Serieneinsätze sehen wir aktuell noch nicht, die nicht auch konventionell gefertigt werden können. Aber ich gehe davon aus, dass, wenn wir das Wissen im AM-Bereich ausbauen, solche Entwicklungen sicher auch in unseren Serienwerkzeugen genutzt werden können. Denn wenn unsere Entwicklungsingenieure erst einmal erkennen, welches Potential im AM-Verfahren steckt, kann sich das schnell ändern. Dessen muss man sich nämlich auch bewusst sein: Additive Manufacturing ist nicht nur ein anderes Fertigungsverfahren, das die Produktionstechnik verändert, es verändert auch das Denken der Konstrukteure, die neu Dinge entwickeln können, die bisher nicht fertigbar waren und deshalb auch nicht entwickelt wurden. Genau dieses «neue Denken» in neuen Möglichkeiten wird unsere Werkzeugentwicklung – aber auch die Entwicklung unserer Kunden – weiter vorantreiben.

Darüber hinaus setzen Sie neu auf Automatisierungsprozesse im Fertigungsbereich. Mit welchem Partner und welchen Technologien arbeiten Sie hier konkret zusammen?

Urs W. Berner: In diesem Sektor verfügen wir über drei Partner. Wir arbeiten konkret mit Fanuc und mit Schunk als Systempartner zusammen. Das Engineering wird von unserer kroatischen Partnerin Teximp realisiert. Teximp hat in diesem Bereich eine Menge Erfahrung, sie ist die Haas-Spezialistin für Osteuropa und das europäische Haas-Kompetenzzentrum für Automationslösungen. Es handelt sich dabei um sogenannte Kataloglösungen. Unsere Kunden bekommen beispielsweise einen Knickarmroboter mit spezifischen Schunk-Greifern, die sie aus dem Katalog bestellen können, fertig installiert und integriert. Hierbei handelt es sich um eine fixfertige Roboterzelle. Das Beste daran ist: es sind relativ niedrige Investitionsvolumen für unsere Kunden. Ich spreche hier von integrierten und teilintegrierten Automationslösungen. Für mich ist Schweden ein gutes Vorbild, wo der Grossteil der Fertigung automatisiert abläuft.

Ok, aber Schweden verfügt nach wie vor noch über grössere Serienproduktionen als die Schweizer Unternehmen.

Urs W. Berner: Da haben Sie sicher recht. Die Schweizer Losgrössen sind kleiner. Hier ist die Automatisierung anspruchsvoller. Aber mit den heute vorhandenen Möglichkeiten sind auch wechselnde Serien automatisierbar. So dass wir auch mit Nullpunktspannsystemen arbeiten. Das ist mit Palettenlösungen heute machbar

Inwieweit sehen Sie Möglichkeiten der integrierten automatisierten Fertigung, die die Fertigungsprozesse Additive Manufacturing und Fräsbearbeitung miteinander verknüpft. Welche Herausforderungen sehen Sie hier: Stichwort Auslastung der Maschinen, Teilehandling, Werkstück-Spanntechnik usw.?

Urs W. Berner: Die 3D-Bearbeitung zu automatisieren, halte ich im aktuellen Status für nicht sinnvoll, weil dieser Prozess noch zu langsam ist. Aber man darf ja nie nie sagen: Wir haben für unsere Kunden, die auch den AM-Prozess automatisiert haben möchten, gemeinsam mit dem Spezialisten Lehmann Palettensysteme entwickelt, so dass die mit dem Bauteil bestückten Paletten von dem Roboter aus der SLM-Maschine herausgenommen werden und auf die Haas-Maschine per Nullpunktspannsystem weitergegeben und bearbeitet werden können.

Welches Potential sehen Sie hier in Zukunft für den Schweizer Markt und wo sehen Sie im Bereich der Fertigungsautomation die besonderen Herausforderungen?

Urs W. Berner: Stand heute werden 20 Prozent der WZM automatisiert ausgeliefert. Mittlere und wiederkehrende Losgrössen sind generell anspruchsvoller zu automatisieren. Ich gehe im Bereich der WZM davon aus, dass in Zukunft vermehrt automatisiert wird.

Wie sehen Sie die zukünftige Industriemesselandschaft der Schweiz?

Urs W. Berner: Wir haben generell bisher eine sehr gute Messelandschaft gehabt. Hervorzuheben ist die Siams in Moutier und die Uhrenmesse in Genf. Die Prodex ist eine der wichtigsten Messen im Bereich der Fertigungstechnik. Aus meiner Sicht ist das aktuelle Messeangebot im Bereich der Fertigungsmessen in der Schweiz mit diesen Messen perfekt abgedeckt. Ich denke, da sind sich die Unternehmen wie auch Verbände einig.

Herr Yannick Berner, wie sehen Sie als Marketing Manager die Messelandschaft in der Schweiz?

Yannick Berner: Es ist entscheidend, dass die Prodex weiter an Bedeutung gewinnt. Die regional starken Messen, wie die Siams in Moutier und die EPHJ in Genf, sind ebenfalls hervorragende Plattformen für die Fertigungsindustrie.

Betrachten Sie eher Bern oder Basel als idealen Messestandort?

Yannick Berner: Für den Fertigungsbereich sehe ich Basel mit einigen Vorteilen. Die Industrialis in Bern wurde mit viel Engagement realisiert und war gut organisiert. Aber die Besucher fehlten und Bern ist zu westlastig. Wir brauchen eine starke, konsolidierte Messe in der Deutschschweiz mit genügend Besuchern. Gerade in der Ostschweiz gibt es keine bedeutende Messeplattform. Bern liegt geographisch weiter weg und befindet sich zu nahe an der Westschweiz, die mit ihren Messen gut bedient ist.

Als Familienunternehmen steht bei Ihnen demnächst die Nachfolgeregelung an.

Urs W. Berner: Unsere Nachfolgeregelung ist ein langjähriger Prozess. Wir haben drei Kinder, alle haben Interesse bekundet, Aufgaben und Funktionen in unserem Unternehmen zu übernehmen. Das ist generell einmal eine ausgezeichnete Ausgangssituation. Jessica Berner arbeitet seit einem halben Jahr als Managerin in unserem Finanzbereich. Yannick Berner hat Anfang Januar die Rolle als Marketing Manager übernommen. Sein Zwillingsbruder Oliver Berner schliesst gerade seinen Master in Betriebswirtschaft ab und wird vorerst im Ausland tätig sein. Wir haben demnach eine sehr gute Konstellation und werden in den nächsten fünf Jahren beurteilen müssen, wie es in Zukunft weitergeht.

Das wirkt sehr durchstrukturiert.

Yannick Berner: Das muss man unserem Vater hoch anrechnen, wie er uns in den letzten Jahren eingebunden hat in das Unternehmen. Das hat er ausgezeichnet gemacht. Wir waren bei den letztjährigen Management-Entscheidungen immer involviert. Es wird offen kommuniziert. Wir haben seit zwei Jahren einen Familienbeirat, in dem auch Strategien entwickelt werden, wie die Familie in Entscheidungen mit eingebunden werden kann. Es geht auch darum, dass die Familienangehörigen wissen, auf was sie sich einlassen und dass sie für die Zukunft die richtige Entscheidung treffen können. Wir haben einen Plan – die Zukunft kann kommen.